Verschollenes wieder neu entdecken
Leider wird vieles vergessen. 

Schwimmen in Niestetal, Kinder lernen Schwimmen



Was gibt es Schöneres als bei sommerlichen Temperaturen ins kühle Nass zu springen? Als es noch keine Frei- oder auch Hallenbäder gab, badeten die Menschen in Flüssen und Bächen. So war es auch in Heiligenrode und Sandershausen. Viele Generationen lernten das Schwimmen in der Fulda und in der Nieste
Der Geschichtsverein Niestetal e.V. hat alle Informationen zu diesem Thema zusammengetragen. Der nachfolgende Text erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Wer noch etwas hinzufügen möchte, kann dies gerne tun. Schreiben Sie eine Mail an vorstand@geschichtsverein-niestetal.de
     Inhalt









Der lange Weg zu einem neuen Hallenbad

2008

Das „Wichtelbrunnenbad“ an der Hugo-Preuß-Straße hatte genau 36 Betriebs-jahre „auf dem Buckel“. Obwohl das Bad 1994 erweitert und modernisiert wurde, war eine Sanierung notwendig. Mehrere Gutachten ergaben, dass durch das Einwirken des aggressiven Chlorgases die baulichen Schäden sehr massiv seien. In einem fast 200-seitigen Bericht hatten die Gutachter alle Schäden beschrieben. Es sei nicht auszuschließen, dass diese auch Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes haben. Zudem müsste die gesamte Technik erneuert werden.
Die Kosten für eine Sanierung waren schwer kalkulierbar, die tatsächlichen Schäden wären erst im Laufe der Bauarbeiten sichtbar. Aufgrund dieser Kenntnisse waren sich die Gutachter einig: "Eine Sanierung ist nicht wirtschaftlich".

2010
Die Gemeindevertretung fasste einen Beschluss: „Kein Umbau, sondern Neubau“.

2011
wurde eine Badkommission gebildet, die das Projekt begleiten sollte. Die erste Entscheidung dieser Kommission war die Suche eines Standorts für das neue Bad. Mehrere Alternativen wurden diskutiert. Als neuer Standort wurde das Grundstück zwischen Feuerwehrgebäude und Autobahn A7 direkt an der Heiligenröder Straße festgelegt.
In dieser Zeit konnte die Gemeinde recht hohe Gewerbesteuereinnahmen verzeichnen. Neidvoll schauten die Nachbarkommunen auf Niestetal, und hinter vorgehaltener Hand hörte man die Aussagen: „Die können sich alles leisten!“ Nach diesem Motto wurde auch geplant.  Ein Hallenbad- Fachkundiger konnte als Projektsteuerer verpflichtet werden. Dessen Vorschläge waren: „Ein Hallenbad muss unbedingt einen Gastronomie- sowie einen Wellnessbereich haben“. Als Attraktivität standen eine Wasserrutsche und ein Sprungturm auf dem Plan. Sogar ein Tieftauchbecken für Taucher war auf der Wunschliste zu finden.
Ein Architektenwettbewerb wurde gestartet. An einem Samstag traf sich die Kommission im Saal der Gaststätte „Vaterland“. In dieser Zeit fanden gerade die Umbauarbeiten des Rathauses statt. Der Sitzungssaal konnte nicht genutzt werden.
Fünf Architekturbüros stellten ihre Entwürfe vor. Die ersten vier Pläne waren in der äußeren Bauform ähnlich. Sie unterschieden sich hauptsächlich in der energetischen Betrachtung. Für die Wärmeversorgung schlugen die Planer Blockheizkraftwerke vor, die mit Holzhackschnitzeln oder Erdgas betrieben werden sollten. Die Versorgung mit Fernwärme von der Städt. Werke Kassel AG wurde als Utopie bezeichnet und schied als Wärmeerzeuger aus.
Der fünfte und letzte Entwurf unterschied sich von den zuvor vorgestellten Plänen ganz erheblich. In einer geschickt vorgetragenen Präsentation stellte der Architekt einen spektakulären Entwurf vor. Ein Hallenbad auf Stelzen (wegen der Hochwassergefahr) und großen Bullaugen im Schwimmbecken.
Die Kommission entschied sich für diesen etwas ausgefallenen Plan.

Doch bei den folgenden Verhandlungen und Detailplanungen kam heraus, dass der genannte Kostenvoranschlag nur ein Grundpreis war. Zusätzliche Gewerke einschließlich der Energieversorgung erhöhten die Baukosten erheblich.
Zeitgleich gingen die Gewerbesteuereinnahmen in Niestetal stark zurück.

2013
zog die Gemeindevertretung die „Reißleine“ und stoppte das gesamte Projekt


2015
machte die SPD Fraktion Niestetal den Neubau eines Hallenbades wieder zum Thema. Am Zustand des Wichtelbrunnenbades hatte sich nichts verändert. Die Lage war noch prekär. Der Statiker kam jetzt regelmäßig zu Überprüfungen. Die Reparatur von technischen Komponenten wurde immer schwieriger. Besonders die Beschaffung von Ersatzteilen für die alte Technik dauerte immer länger.

Dieses Mal sollten die Bürger entscheiden. Ein Bürgerentscheid wurde vorbereitet.
Am 08.11.2015 kam es zu einem Bürgerentscheid.
41,8% der Niestetaler Wahlberechtigten beteiligten sich an dem Entscheid.
81,2% stimmten für den Neubau eines Hallenbades. 18,8% waren gegen einen Neubau.
Mit diesem Ergebnis gab es einen klaren Auftrag an die Gemeindevertretung und die Verwaltung: Es soll ein neues Hallenbad gebaut werden.
Die neuen Rahmenbedingungen waren:
Kein „Spaßbad“, es sollte ein kleines, kompaktes Bad werden.
Trotz aller Bemühungen, einen Betreiber für eine Gastronomie im neuen Hallenbad zu finden, schlugen fehl. Das gleiche galt auch für einen Sauna- bzw. Wellnessbereich. Somit wurden die weiteren Planungen ohne Gastronomie und Wellnessbereich durchgeführt.
Die Baukosten wurden mit 8,4 Mio. EURO beziffert.

Die Gemeindewerke Niestetal erhielten als neuen Geschäftszweig „Bäderbetrieb“ hinzu.
Damit ist der Eigenbetrieb der Gemeinde Bauherr und späterer Betreiber des neuen Hallenbades. Mit dieser Entscheidung war auch geregelt, dass die Betriebskommission für alle weiteren Planungen und Entscheidungen zuständig ist.


2016
begannen die Planungen für ein neues Hallenbad wieder ganz von vorn. Diesmal exakt nach den Ausschreibungsrichtlinien der EU. Alle Ausschreibungen mussten europaweit, diskriminierungsfrei und neutral erfolgen. Eine wahre Herausforderung an die beteiligten Akteure.
Beispielsweise durfte bei dem Ausschreibungstext für die Suche eines Architekten bzw. Generalplaners das Wort „Hallenbad“ nicht auftauchen.
Auch die Vorgaben an Größe, äußere Hülle und Funktionalität mussten an die neue Lage angepasst werden.
In einem komplizierten Auswahl- und Bewertungsverfahren wurde ein Architekt als Generalplaner ausgewählt
Die Planungen begannen erneut.

In der Zwischenzeit hatte sich die Gemeinde um einen Baukosten- Zuschuss von Bund und Land bemüht. Trotz aller Bedenken konnte man in Berlin erreichen, dass aus dem Programm „Kinder lernen schwimmen“ ein Baukostenzuschuss von 4 Mio. EURO gewährt wurde.

Später konnte noch zusätzlich 1 Mio. EURO aus dem Hessischen Förderprogramm SWIM (Schwimmbadinvestitionsprogramm) eingeworben werden. Doch die Zuschussgeber erkannten sofort, dass mit insgesamt 5 Mio. EURO das Projekt „überfördert“ sei. Wieder wurde gerechnet. Letztendlich kam ein Baukosten- Zuschuss von 4,5 Mio. EURO zusammen.
Alle Pläne mussten mit Berlin und den anderen Ämtern – immerhin waren 4 Behörden beteiligt- abgestimmt werden. Langsam entwickelten sich die beteiligten Behörden zu „Entscheidungsträgern“: Immer nach der Devise: „Wenn ihr das nicht so oder so macht, streichen wir die Förderung“. Eine der ersten Entscheidungen der Fördergeldgeber war die Festlegung des Fertigstellungstermins für das neue Bad. Dieser wurde auf den 31.12.2022 festgelegt. Sollte dieser Termin nicht eingehalten werden, würden die Zuschüsse nicht gewährt.
Für die Planer bedeutete dies, wieder neu zu planen. Wie kann man die einzelnen Bauphasen beschleunigen? Mehr Fertigbauteile, noch kompaktere Baumaßnahmen, Becken aus Edelstahl und weitere Maßnahmen. Zeitweise war die Einhaltung des vorgegebenen Fertigstellungstermins die wichtigste Planungsaufgabe.
Diese vielen Maßnahmen verursachten höhere Baukosten, aber man konnte auf die 4,5 Mio. Zuschuss nicht
verzichten. Ein wahrer Bürokraten- Marathon begann.

2018
Der Bauantrag für das neue Hallenbad konnte im April eingereicht werden. Fünf Monate später wurde eine Baugenehmigung erteilt. Auch hier gab es wieder einen „Wehrmutstropfen“. Wegen der zunehmenden Starkregenereignisse in den zurückliegenden Jahren waren die Pegel für ein 100jähriges Hochwasser um 80 cm erhöht worden. Damit lag das neue Gebäude im Hochwasserschutzbereich der Nieste. Die Folge:
Eine 80 cm hohe Schutzmauer unter der Autobahnbrücke musste zum Schutz des neuen Hallenbades zusätzlich errichtet werden.

2019
Alle „Hausaufgaben“ waren gemacht und die Ausschreibungen für die einzelnen Gewerke konnten beginnen. Doch wieder kam etwas dazwischen. In „letzter Minute“ kamen die Städtischen Werke AG Energie + Wärme mit dem Vorschlag, das neue Hallenbad und auch die umliegenden Gebäude, wie Rathaus, Mehrzweckhalle und Feuerwehr mit Fernwärme zu versorgen. Die Option Fernwärme war schon zu Beginn des Planungs- Marathons gestrichen worden, da die Städtischen Werke nur Gas, aber keine Fernwärme liefern wollten/ konnten.
Der Vorschlag konnte jedoch nicht einfach akzeptiert werden.
Das wäre zu einfach gedacht. Zuerst musste die Gemeindevertretung dem Vorhaben zustimmen. Dann folgte eine öffentliche Ausschreibung. Wer denkt, dass nur ein Anbieter in Frage käme, der irrt. Fünf Firmen reichten Angebote ein, alle mit unterschiedlichen Varianten. Fernwärme kann also auch unterschiedlich interpretiert werden.
Für die Planer begann wieder eine arbeitsreiche Phase. Da die Wärmeversorgung eines Hallenbades das zentrale System ist, hatte die Versorgung mit Fernwärme Auswirkungen auf viele Gewerke. Bei dem Spiel „Monopoly“ würde man sagen: „Alles zurück auf START“. Und die Zeit lief unerbittlich weiter, denn der vorgegebene Eröffnungstermin stand fest. 

2020
Endlich konnte mit dem Bau begonnen werden. Die Aufstellung des Bauschildes im Sommer 2020 könnte man als Start definieren.
Der offizielle Spatenstich des Ersatzneubaus des Wichtelbrunnenbades „Kinder lernen schwimmen“ war am Oktober 2020.


Die Erdarbeiten und auch der Rohbau konnten planmäßig errichtet werden.
Wer meint, dass jetzt alles in „trockenen Tüchern war, der irrt. Weitere Probleme und somit auch Bauverzögerungen traten auf. Erst kam die Corona- Pandemie mit all seinen negativen Einflüssen.
Eine Konkurrentenklage vor der Vergabekammer dauerte unendlich lange. Monate vergingen, bis die überlastete Kammer eine Entscheidung getroffen hat.
Lange Lieferzeiten von Komponenten, die früher innerhalb weniger Tage geliefert wurden, führten ebenfalls zu Verzögerungen. Und auch der Fachkräftemangel trug zu erheblichen Verzögerungen bei.
Bald war erkennbar, dass der vorgegebene Fertigstellungstermin nicht eingehalten werden konnte.
Nach einigen Verhandlungen mit den Fördergeldgebern einigte man sich. Das Projekt wird in zwei Bauabschnitte unterteilt. Der Bauabschnitt 1 wird gefördert und der Ersatzneubau des Wichtelbrunnenbades konnte wie gefordert am 31.12.2022 fertiggestellt. Das Hallenbad war zwar fertig aber noch nicht betriebsbereit. Der 2. Bauabschnitt wurde aus Eigenmitteln finanziert und beinhaltete die endgültige Fertigstellung des neuen Hallenbades.
Für die Planer wieder eine Herausforderung. Alle Gewerke mussten den Bauabschnitten zugeteilt werden.
Für die Fördergeldgeber war das Bad mit dem Bauabschnitt 1 fertiggestellt. Doch der 2. Bauabschnitt, nämlich die Fertigstellung des Hallenbades, dauerte noch lange




2023
Immer wieder kam es bei den Ausbauarbeiten zu Verzögerungen. Wegen fehlendem Material oder wegen fehlenden Arbeitskräften. Oder die Angebotspreise waren so utopisch hoch, dass erneut ausgeschrieben werden musste.
Als Beispiel sei hier nur die Außenfassade des Gebäudes genannt. Diese sollte direkt nach der Dachabdichtung angebracht werden. Das Gerüst stand noch. Doch auf die erste Ausschreibung meldete sich keine Firma. Mehrfache Umplanungen waren notwendig. Verschiedene Materialien waren erst nach langer Zeit lieferbar oder überhaupt nicht. Oder die Preise waren so hoch, dass der vorgesehene Kostenrahmen gesprengt wurde. Letztendlich musste das Material eingebaut werden, das vorhanden und auch preislich akzeptabel war.
Das dauerte mehrere Monate.
Das leere Gerüst erweckte in der Bevölkerung den Eindruck, dass die Bautätigkeiten eingestellt seien. Dem war nicht so, die umfangreichen Innenarbeiten liefen weiter.
Doch endlich war auch die Außenfassade fertig, das Gerüst konnte abgebaut werden. Die Arbeiten für die Außenanlagen konnten beginnen.
Das alte Wichtelbrunnenbad musste wegen einem technischen Defekt endgültig geschlossen werden. 50 Jahre war es in Betrieb.


2024
Als Eröffnungstermin wurde der 22. März 2024 vorgesehen. Vorher sollte ein mehrwöchiger Probebetrieb stattfinden. 

Beim Befüllen des Schwimmbeckens kam der erste Schreck. Eine Schweißnaht des Edelstahlbeckens war undicht. Eine winzige Undichtigkeit, aber nicht akzeptabel. Dieser Fehler konnte zwar schnell behoben werden, doch es verzögerte den Probebetrieb. 

Dann die nächste Verzögerungs- Meldung. Die Türen, Spinde und Möbel können sehr wahrscheinlich nicht bis zum vorgesehenen Eröffnungstermin geliefert werden. Dazu muss man wissen, dass für Hallenbäder wegen der aggressiven Luft besonders verleimte Hölzer verwendet werden.

Der vorgesehene Probebetrieb sowie der Eröffnungstermin mussten wieder verschoben werden.

Einen "Vorteil" hatte diese Verzögerung. Die Außenanlagen einschließlich Bepflanzungen konnten in Ruhe gebaut werden. Auch eine Querungshilfe in Form einer Verkehrsinsel auf der Heiligenröder Straße sowie deren Anschluss an den neuen Parkplatz konnte vor dem neuen Eröffnungstermin fertigestellt werden.

Im Juli 2024 konnte endlich der Probebetrieb beginnen. Dieser verlief ohne großen Probleme erfolgreich.

Das neue Wichtelbad wird am 23.08.2024 mit einer Feierstunde eröffnet.

zusammengestellt von Günther Köhler

Geschichtsverein Niestetal e.V.